Kinder an Bord

Im Herbst 2002 hatten wir über die TO-Website (www.trans-ocean.org) einen Aufruf zum Erfahrungsaustausch zwischen segelnden Familien auf Langfahrt gestartet. 31 Paare mit Kindern hatten sich in unserer Internet-Runde eingefunden. Acht Familien hatten eine Langfahrt bzw. Weltumsegelung in den vergangenen zehn Jahren abgeschlossen, sechs sind weltweit unterwegs, neun wälzten große Pläne, acht starteten 2004 zur Weltumsegelung. Nach sechs Jahren Ostseesegeln sind wir 2004 zur großen Reise gestartet: vom Mittelmeer über die Kanaren, die Kapverden nach Brasilien. Etwas mehr als ein Jahr waren wir dann in Südamerika auf dem Landweg unterwegs. Inzwischen sind wir zurück in Deutschland.
Unsere Erfahrungen aus der Internetrunde und den Gesprächen mit vielen reisenden Familien, die wir getroffen haben, sind unten kurz zusammengefasst. Wir hoffen, dass ihr hier Antworten auf viele eurer Fragen zu Seekrankheit, Angst, Spielsachen, Schule und Bordunterricht, Freunde, Gesundheit und Kindergeld findet.

Seekrankheit
Seekrankheit ist immer ein gravierendes Problem, insbesondere in Familiencrews, weil auch recht unempfindliche Kinder mit den Seekranken mitleiden. Offensichtlich gibt es große Unterschiede, wie Kinder auf die Situation an Bord reagieren. (Für Erwachsene gilt das wohl ebenso.) Die Seekrankheit der Kinder dauert von wenigen Stunden bis zu 2-3 Tagen. Wenige Kinder kennen keine Seekrankheit. Immer wird vorgeschlagen, dass die Kinder sich nach Möglichkeit im Cockpit aufhalten sollten. Manche liegen aber auch lieber in ihrer Koje. Ein Elternteil kümmert sich i.d.R. um das Kind und fällt dann für die Wachen aus. Das kann schnell zu einer besonderen Belastung für alle werden.
Wir haben bislang mit mäßigem Erfolg Akupunkturbänder eingesetzt. Als homöopathisches Mittel haben wir Cocculus D 6 und Nicotiana D 6 gegeben, allerdings nicht vorbeugend (wie es eigentlich erforderlich wäre), sondern erst, wenn es akut wurde. Dann hat es zumindest die Symptome gelindert und vor allem die Stimmung verbessert. Empfohlen wird auch das Reisekrankheitsmittel Petroleum D 6.  Aus Neuseeland kam der Hinweis auf das Mittel "Sea Legs" (Meclozine-Hydrochloride BP).  Den gleichen Stoff beinhalten Kaugummis (z.B. "Chiclida"), die unseren Kindern allerdings nicht schmecken. Ein weiteres Mittel ist Hyocine Hydrobromide in Tabletten bzw. Kautablettenform (z.B. "Joy-Rides", "Kwells").  Bei uns haben alle Mittel zu Müdigkeit und teilweise auch Kopfschmerzen geführt.

Ängste
Langfahrtsegelfamilien haben die Erfahrung gemacht, dass die Kinder die Dinge eher so nehmen wie sie kommen. Ängste entstanden bislang überwiegend durch eigene Fehler oder Hektik. Als Ratschläge stehen wohl vor allem die gründliche Vorbereitung und die Vermeidung von gefährlichen Situationen sowie eine gründliche Risikoabschätzung im Vordergrund. Auch bei Vorhersage von bestem Wetter wird alles so weggeräumt, dass nichts durch die Gegend fliegen oder laut klappern kann. Auch der Vorschlag, nicht gegenan zu kämpfen, sondern ggf. beizuliegen, den Kurs zu ändern o.ä. wurde mit Erfolg umgesetzt. Bei Langtörns alle 60 Minuten die Position über UKW bzw. über SSB an eine Funkrunde durchzugeben, ist sicherlich auch hilfreich. Aus der Weltumseglerrunde kommt beruhigender Weise die Einschätzung, dass in 99,99 % der Zeit die Kinder vollkommen unbeschwert sind.

Unterbringung
Das ist natürlich auch eine Frage der Schiffsgröße. Normalerweise teilen sich die Kinder die Vorschiffskajüte (2 getrennte Kojen). Bei heftigerem Seegang bleibt die Salonkoje, der Salonboden oder die Achterkajüte, (ausgestopft mit den Decken und Schlafsäcken). Leesegel sind selbstverständlich. Im Cockpit wurden gute Erfahrungen mit angeleinten leichten Autokindersitzen gemacht. Im Cockpit sind die Kinder meist mit Rettungsweste angeleint. Bei gutem Wetter werden sie in die Decksgurte eingepickt und können bis aufs Vorschiff. Oft ist die Vorschiffskajüte ein guter Platz für die Kinder, da dort Platz zum Spielen ist und sie dort "so toll mit den Wellen hüpfen können".

Spielsachen
Alles, was in Ritzen oder Lenzrohren verschwinden könnte, wird zu Hause gelassen. Gute Erfahrungen wurden gemacht mit: Legos, Autos, Knete, Malsachen, Büchern, Kuscheltieren, Kartenspielen, Baufix, Memory, Puzzles. Kassetten und CDs mit entsprechendem Recorder helfen zusätzlich auch beim Lernen, z.B. fremder Sprachen (Lieder). Um Kinder auf Lieder und Tänze anderer Kulturen einzustimmen, gibt es eine wundervolle CD-Reihe beim Ökotopia Verlag (www.oekotopia-verlag.de) , jeweils in Deutsch und den Originalsprachen gesungen, z.B. "In 80 Tönen um die Welt", "Didgeridoo und Känguru".
Die Kinder werden - soweit es ihr Alter erlaubt - in die Segel"arbeit" einbezogen. Temperaturen messen, Instrumente ablesen, Ruder gehen, Logbuch führen, funken, bei Reparaturen helfen sind ebenso interessant wie Krebse und Fische fangen, ausnehmen, zubereiten und beim Kochen und Backen helfen. Ein paar neue Sachen zur Überraschung auf längeren Überfahrten sind sicher auch nützlich. "Aber eigentlich haben wir festgestellt, dass die beiden immer weniger Spielzeug brauchen und viel lieber mit Sand, Muscheln, selbstgebauten Holzbooten usw. spielen", war die Erfahrung auf der SY NONIE.

Freunde
Für Kinder, die altersmäßig eng beieinander liegende Geschwister haben, ist das Kontaktproblem sicher nicht so gravierend wie bei einem Einzelkind, das allein auf die Eltern angewiesen ist. Trotzdem können oft auch länger anhaltende Freundschaften entstehen, denn Eltern-/Kindercrews finden in Häfen und auf Ankerplätzen meist schneller Kontakte als Zweiercrews. Außerdem bildet sich oft eine Seglergemeinschaft, die sich im Laufe ihrer Route immer wieder trifft. Verabredungsort ist seit kurzem das Skipperforum auf www.bluewater.de .

Gesundheit
Bordapotheken segelnder Familien scheinen besonders umfangreich ausgestattet zu sein. Ein besonderes Problem scheint die Behandlung von kleineren Wunden (nur im Pazifik?) zu sein, die sehr schwer in den Griff zu kriegen sind. Buchtipp: "Homöopathische Erste Hilfe" von Ilse Lardy, Sunrise Verlag (www.sunrise-versand.de). Dort ist auch eine homöopathische Reiseapotheke erhältlich. Als sehr brauchbares Standardwerk wird immer wieder "Medizin auf See", DSV-Verlag, empfohlen.
Als weitere Ratgeber können wir empfehlen: Goebel/Glöckner: "Kindersprechstunde", ein medizinisch-pädagogischer Ratgeber, Urachhaus-Verlag, ISBN 3-87838-395-9, und David Werner: "Wo es keinen Arzt gibt", Reise Know How Verlag, ISBN 3-8317-1019-8, Armin Wirth: "Erste Hilfe unterwegs", www.reise-know-how.de, Colin B. Lessell: "Homöopathisches Reisehandbuch", Knaur Verlag, ISBN 3-426-76065-7 und "Outdoor Handbuch: Doc Holiday", Conrad Stein Verlag, http://outdoor.tug.de. Medizinische Ratgeber gibt es im Internet in Hülle und Fülle, so z.B. www.netdoctor.de, www.naturheilkunde-online.de, www.naturmednet.de und www.natur-und-heilen.de. Spezielle Tipps für Fernreisen und ein Angebot an medizinischen Hilfsmitteln ist zu finden unter www.tropicare.com .

Durchaus umstritten ist die Frage, wie mit der Impfproblematik umgegangen werden soll. Einerseits geht es um Impfungen gegen die üblichen Kinderkrankheiten. Dazu  findet man kritische Informationen unter www.aegis-bayern.de sowie www.pirolverlag.de, wenngleich uns von den "durchgeimpften" Seglerkindern bislang keine gravierenden Nebenwirkungsprobleme berichtet wurden.

Auf Eure Kommentare und Ergänzungen freuen wir uns natürlich ganz besonders.
Wir wünschen Euch beim Segeln und im sonstigen Leben immer das nötige Quäntchen Wasser unterm Kiel.