Unterricht an Bord

Die erste und mit sorgenvoller Miene vorgebrachte Frage an Familien mit Kindern auf Langfahrt ist: "Und was ist mit Schule und Unterricht?" Da klingt der unausgesprochene Vorwurf mit, dass unsere Kinder niemals den allgemeinen Bildungsstandard der staatlichen Schulen erreichen werden und damit im Wettrennen um Karriere und Einkommen sicher den Kürzeren ziehen werden.
Die US-Amerikanerin Linda Dashew schreibt dazu aus ihrer jahrelangen Erfahrung mit ihren Töchtern:
"Both girls feel the years on the boat gave them a foundation of working independently and efficiently in their studies. This experience seems to be the norm rather than the exception with cruising kids.
The development of imagination is a major benefit that I didn't expect from cruising. Children are forced to use their creativity. They are severed from the television cord and are much richer for it.
Many cruising kids receive excellent educations as well. (...)
Taking the children bluewater cruising could be one of the best things we have ever done for them. They've been exposed to other cultures and ways of life, have been taught to assume responsibility, learned self-reliance and independence through sailing; they've cultivated nascent creativity and have learned to cope with loneliness and boredom.
We found that our family as a whole grew closer together. And then we finally returned home - and most passage makers eventually do - our children had a broad base of experience on which to cruise into adulthood."

Im Leben an Bord können Kinder und Jugendliche ihre Anlagen entwickeln, ihre Fähigkeiten ausprobieren. Neugier, Aufgeschlossenheit, Kommunikationsfähigkeit, körperliche Geschicklichkeit, verantwortliches und soziales Verhalten gehören zu den Fähigkeiten von Seglerkindern aufgrund ihres täglichen Erfahrungs- und Lernumfeldes. Damit können sie ihr weiteres Leben selbstbestimmt gestalten.

An Bord werden die  Kinder meist von den Eltern unterrichtet. Zwei bis drei Stunden täglich werden dafür reserviert, meist jedoch nur im Hafen oder vor Anker. Das ist allerdings eine nicht zu unterschätzende Belastung, vor allem, wenn die Unterrichtsarbeit für die Eltern neu und ungewohnt ist. Schließlich muss der Unterricht auch vorbereitet werden. Sinnvoll und entlastend ist es sicherlich, wenn sich die Eltern die Unterrichtsfächer je nach ihren Vorlieben aufteilen können. Schließlich wird ja nicht nur der "Stoff" vermittelt, sondern auch der Spaß am Lernen.
Zur Schulpflicht haben wir ein Extra-Kapitel auf dieser Seite verfasst; siehe HIER.

Als mögliche betreuende Stellen wurden bislang die Deutsche Fernschule e.V., Wetzlar, www.deutsche-fernschule.de, das Institut für Lehrsysteme GmbH (ILS), Hamburg, www.ils.de und die Calvert School, 105 Tuscany Road, Baltimore, MD 21210 USA, vorgeschlagen.


Margrit (SY REINE MARGUERITE) schrieb uns im Januar 2004, dass es im französischen Schulsystem von der Grundschule bis zur Universität 10 Module pro Jahr für den Unterricht unterwegs gibt (einschließlich einen Test pro Monat). Margrit fand den persönlichen Kontakt per Telefon oder e-mail einfach wunderbar. Infos unter www.cned.fr .
Als grundsätzliche Kritik zu den Fernschulen haben wir die hohen Kosten, z.T. veraltetes Material und die fehlende Flexibilität übermittelt bekommen.

Für das Lernen von Unterrichtsstoff gibt es eine Fülle von Hilfen, auf die Segelkindereltern zurückgreifen können. Unabhängig davon, wie man zu Rudolf Steiner und der Idee der Waldorfschule steht, gibt es einige Bücher aus dem Verlag "Freies Geistesleben", die für den eigenen Unterricht an Bord sehr hilfreich sein können: "Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele - vom Lehrplan der Waldorfschule", herausgegeben von Tobias Richter (ISBN 3-7725-0269-5) enthält die Lehrpläne für alle Fächer und Klassen, so dass der Bord-Lehrer und die Bord-Lehrerin wissen, was im jeweiligen Alter zu unterrichten ist. Außerdem werden nützliche Bezüge zwischen den Unterrichtsinhalten sowie dem jeweiligen Alter und Entwicklungsstand der Kinder hergestellt. Das Buch vermittelt pädagogisches Grundwissen, das das Verständnis für altersgemäßes Lernen sicher fördert. Wer für einzelne Fächer konkretere Hilfen braucht, findet sie in "Der Anfangsunterricht in der Mathematik an Waldorfschulen" (ISBN 3-7725-0263-6), "Der Anfangsunterricht im Schreiben und Lesen" (ISBN 3-7725-0227-X) und "Der künstlerische Unterricht in der Waldorfschule, Malen und Zeichnen" (ISBN 3-7725-0229-6). Das zuletzt genannte Buch schafft auch für den Einstieg der erwachsenen Crew in eigenes künstlerisches Schaffen eine breite Basis. Lehrbücher für weitere Fächer und Klassen entdeckt man unter www.geistesleben.com .


Online-Materialien für viele Schulfächer finden sich im Internetarchiv der Humboldt-Universität Berlin unter www.dbs.schule.de/datenbank.htm, unter www.bildung.at, www.abi-tools.de, www.zum.de, www.aol-verlag.de, www.rabe.de, www.erle-verlag.ch, www.verlagruhr.de, www.mildenberger-verlag.de, www.stark-verlag.de, www.klou.info, www.teachsam.de und www.learn-line.de .


Der Zweitausendeins-Versand (www.zweitausendeins.de) hat ein umfangreiches Angebot an Wissensbüchern für Kinder sowie jede Menge Lernsoftware. Auch auf Kinder spezialisierte Versandhäuser wie Jako-O (www.jako-o.de) bieten jede Menge spannender Lernsoftware.  Besonders preisgünstig sind Bücher und CD-ROMs von Restauflagenhändlern wie Jokers (www.jokers-restseller.de).
Für die Erstklässler bekommt man spezielle Zahlen- und Schreiblernhefte bei vielen Verlagen, so z.B. bei Landré in D-31022 Gronau/Leine.
Sprachen lernen Kinder auf Fahrtenyachten quasi im Vorübersegeln. Zum Üben - falls erforderlich - gibt es eine Fülle von Hör-CDs verschiedener Verlage. Besonders beliebt sind Ritter Rost mit "Rusty Movie" sowie die im Langenscheid-Verlag erschienenen CD-Geschichten der Hexe Huckla (z.B. "Spuk im Hexenhaus").
Lehrpläne bekommt man über die Internetseiten der jeweiligen Kultusministerien.

Selbstverständlich können aus Eltern nicht über Nacht erfahrene Lehrerinnen und Lehrer werden. Einige grundsätzliche Gedanken sollten sich die Bordpädagogen jedoch vor Beginn ihrer Unterrichtsstunden machen.

Wenn selbst unterrichtende Eltern aufmerksam die Entwicklung ihrer Kinder begleiten, wird es ihnen nicht schwer fallen zu erkennen, welche Fragen und Probleme die Kinder gerade beschäftigen, und dann flexibel und gezielt darauf einzugehen. Genügend Zeit dafür ist ja meist da. Diese Intensität und Flexibilität des Lernens sowie die unmittelbare Anschaulichkeit sind einige der unschlagbaren Vorteile der Bordschule.

Unsere Bordschule begann mit einem Morgenspruch oder einem kurzen Gedicht; manchmal war es etwas Klassisches wie "Wie alles sich zum Ganzen webt" (Goethe) , manchmal etwas Witziges wie "Wenn die Möpse Schnäpse trinken" (James Krüss). Alle zwei bis vier Wochen suchten wir gemeinsam einen neuen Text. Danach sangen wir eines unserer Familienlieblingslieder. Dann begann der eigentliche Unterricht: Deutsch, Mathematik, Englisch. Die Lehrbücher hatten wir von der Grundschule zu Hause mitbekommen. Zwei Stunden Bordunterricht täglich in den Hauptfächern reichten, damit unsere Kinder mit ihren Klassenkameraden mithalten konnten. Allerdings gab's im Hafen oder vor Anker keine Ferien und Feiertage, nur der Sonntag war schulfrei. In der Bordschule ist der Schüler ständig dran, die Aufmerksamkeit der Lehrerin ist ungeteilt. Lernen mit dieser Intensität ist zwar effektiv, aber auch sehr anstrengend, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern.
In Sachkunde wurde Erlebtes aufgearbeitet: Themen wie "Wale und Delfine", "Wind und Wetter", "Vulkane" liegen auf der Hand. Jenni und Jannes interessierten sich auch für historische Themen wie "Entdeckung Amerikas", "Piraten", "Inkas", "Indianer". Intensität und Flexibilität des Lernens sowie die unmittelbare Anschaulichkeit sind einige der unschlagbaren Vorteile der Bordschule. Als Abschluss der Bordschulstunden lasen wir eine Geschichte, ein Märchen oder eine Fabel vor. Damit die Kinder sich auf die Geschichte einlassen konnten, wurde sie für ungefähr vierzehn Tage beibehalten.

 

weitere links,

unter denen man Arbeitsmaterialen und Unterrichtshilfen bekommt:

 

www.homeschooling.de

www.hausunterricht.org

www.diefreilerner.eu